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DIE KULTUR DEUTSCHE MISTIKER





DIE KULTUR

DEUTSCHE MISTIKER

1906

MARIA MIT DEM KINDE IN EINER STRAHLIN- GIORIE ERSCHEINT DEM JOHANNES AUF DER INSEL PATMOS 

ZUEIGNUNG AN 

Irch nenne Ihren Namen nicht auf diesem Blatte. Dennoch wissen Sie, wenn Sie es überlesen, daß Ihnen das Buch zugehört. Von allen Menschen, die mir bisher begegneten, sind Sie der für mich am meisten von seinem zufälligen Namen gelöste, der am wenigsten von ihm bezeichnete, am weitesten hinter ihn zurücktretende. Vielleicht ist so wenig sichtbare Einheit in Ihnen, daß ich all das Widersprechende Ihres Wesens nicht vermag in einen Menschennamen zu fassen. Es erwacht mir wohl das Bild einer Persönlich-keit, wenn ich Ihren Namen nenne, aber es zerfällt rasch wie eine leere Form, sobald mich Ihr Auge anblickt. Dann sind Sie mir nur noch dunkle Kraft, ichlos wie Traum, die mich überströmt. Sie sind mir so unbegreiflich wirklich, wie sich selbst. Sie sind nicht Name. Sie sind ohne Kontur, umrißlos, ein sich flutend verhüllender Born des allgemeinsten Lebens. Das ist Ihre beglückende Beziehung zu mir und zu diesem Buche. Nehmen Sie es freundlich auf! WEIMAR, im Winter 1906,07

WILHELM VON SCHOLZ 



MITTELALTERLICHE MÖNCHE und Prediger; strenge, eckige Gestalten in gegürteter Kutte, mit abge-zehrten Asketenhänden, Händen von geißelnden Peinigern und gepeinigten Duldern; Händen, die mit knöchernen Fingern das Ungreifbare zu greifen suchen, die sich dem Unendlichen zudehnen, die „nach Gott tasten in seiner Tiefe“. Fleischlose, knochige Gesichter mit tiefliegenden, gerötet brennenden Augen, in denen des Leibes Zerrüttung und Verwüstung mit grauer Flamme leuchtet; Profile, wie in Holz geschnitten. —

Unirdisch, weltabgewandt, ins Ewige blickend und doch harte, erdstarke, wirkende Männer, sprach-gewaltige, hinreißende Redner, denen das Volk zuläuft, denen es sich unterwirft.

Auf rauher Sandale schreiten sie einsame Wege, flüchtenden Gedanken und Gefühlen nach, in die eintauchend sie sich mit Gott geeint glauben, die sich aber immer wieder von ihnen lösen und dornige Pfade voranschweben. Mit Stachelgeißeln peitschen sie sich aus jeder noch so armseligen Behaglichkeit, treiben sie sich den Intuitionen nach, bis die tiefste unerschütterlichste Seelenruhe, wie die Blüte all ihrer Schmerzen und Leiden, ihnen gegeben wird und sie in völliger Gelöstheit vom Irdischen, in „ aller Bilde Bildlosigkeit“ dem nahenden Gotte offen sind. —

Aus dem Wandern in den weiten Räumen des Ich, aus der Versunkenheit ins Innerste, Einsamste, die oft so tief wird, daß das Leben des Leibes zu erlöschen scheint, tauchen sie dann plötzlich beirrten, wie noch geblendeten Blicks auf, starren, zürnenden und liebenden Gottes voll, in das Leben, das sie sündig wähnen, und predigen, ringen nach Ausdruck für das Unsagbare, dessen blassender Ab-glanz sie noch erfüllt, für das flutende, auf sie einstürzende innere Licht, das sie nicht mehr begreifen. Dann sind ihre Worte klingend und stark, breitbeschwingt, voll des träum- und gedanken - genährten Lebens, von dem ihr Herz noch zittert. Und es ist, als kehrten diese Worte, wenn sie die staunende, niedergeworfene Menge überflogen haben, zu dem mystischen Prediger zurück und heim in sein Herz, indessen schweigende, erschütterte, an ihrem Leben irregewordene Menschen die gotterfüllte Kirche verlassen. —

Das ist der erste äußere Eindruck, den man von diesen Männern empfängt: sie sind Prediger, sind geborene und erzogene Redner, die mit ihrem hochgespannten und in Selbstüberwindungen entwickelten Willen die Menge zwingen, hinreißen, sich in die Seelen ihrer Hörer einprägen — und dennoch fremd, hoch, abgelöst über ihnen stehen bleiben und für das Gefühl der Laienscharen mit dem Scheitel ins Ewige tauchen, an die Sohle Gottes rühren, groß und unbegreifbar. So erzählt die Legende von Suso, daß man einst, als er gepredigt hatte, sein Haupt von einem lichten Strahlenschein umflossen gesehen habe. —

Die mystischen Prediger werden nicht allgemein verstanden. Vielleicht hat die Menge nie mehr von ihnen aufgefaßt, als das, was sie mit allen Kirchenlehrern gemeinsam und übereinstimmend verkündeten, worin sie sich nicht unterschieden: die Mahnungen zu Buße und Besserung, zu einem gottwohlgefälligen Leben, zur Flucht vor den Lockungen der Welt, Hinweise auf das Jenseits als Ziel und letzten Wert des Lebens, in denen die Mystiker nur für den geschärften Blick von der Kirche abwichen. Vielleicht sind immerhin diese elementaren Vorschriften und Gedanken der Menge aus dem Munde mystischer Prediger, kraft der größeren Willensfülle, der tieferen Überzeugtheit, des höheren, fast übersinnlichen Zwecks, die sie vor den Handwerkern des Priesterstandes voraus hatten, eindrücklicher als sonst geworden; und sicher sind die verwandten Naturen unter den Andächtigen durch diese Predigten selbst auf mystische Wege geführt worden. —

Ihr Wesentliches aber mußte der Menge fremd bleiben. Sie fühlten das selbst. Oft weist Meister Eckhart am Schlüsse seiner Predigten die Gemeinde darauf hin, daß sie seine Predigten nicht notwendig verstehen müsse, daß ein Nichtverstehen seiner letzten, abgelöstesten Gedanken ihr Herz nicht beschweren dürfe.

„Wer diese Rede nicht versteht, der bekümmere sein Herz nicht damit; denn solange einer dieser Wahrheit nicht gewachsen ist, so lange wird er diese Rede nicht verstehen. Denn es ist eine unbedachte Wahrheit, die gekommen ist aus dem Herzen Gottes unmittelbar! — Daß uns ein Leben beschie- den sei, wobei wir’s selber erfahren, ewiglich, dazu helf uns Gott! Amen.“

Ein anderes Mal entläßt er die Andächtigen mit diesen Worten: „Wer diese Predigt nicht verstanden hat, dem gönne ich’s wohl! Wäre niemand hier gewesen, ich hätte sie diesem Operstock predigen müssen! Es gibt manche arme Leute, die kehren wieder heim und sprechen: ,Ich will auf meinem Flecke sitzen und mein Brot essen und Gott dienen !‘ Ich sage fürwahr, diese Leute müssen verirrt bleiben, und nie vermögen sie zu erreichen noch zu erringen, was den andern zuteil wird, die Gott nachgehen in seiner Armut und Verfremdung. Amen.“

„Wäre niemand zugegen gewesen, ich hätte die Predigt diesem Opferstock halten müssen.“ Vielleicht erscheinen die Mystiker dem Betrachter zunächst als Redner lediglich aus äußerem Beruf, der in keiner organischen Verbindung steht mit der Welt ihrer inneren Erlebnisse; einfach als Geistliche, zu deren Obliegenheiten das Predigen gehört, und deren mystische Beanlagung zufällig ist. Doch allzudeutlich zeigt solch ein Wort, daß sie aus innerem Beruf Redner und Prediger sind. Sie haben Züge des Propheten an sich. Die inneren, in ihnen waltenden Geschehnisse drängen zum Ausdruck, zum lauten, die Menge bezwingenden Wort. Dies geistige Leben will sich ausbreiten, ist teilhaft des letzten, erkennbaren Triebes im Weltorganismus, der im Lichtstrahl waltet, wie im Schall, wie in allen lebenden Wesen: sich fortzupflanzen. —

Die Mystiker sind offenbarende Verkünder, Menschen jener merkwürdigen kraftvollen Art, die nicht ganz Dichter, nicht ganz Philosophen sind und doch beides. Die mit dem Philosophen die Ziele des Gedankens, mit dem Dichter die Leidenschaft der Sprache, die Bildkraft und das Leben im Wort gemein haben, in denen der Verkünderwille beider lebt.

* *

Aller Wahrscheinlichkeit nach besitzt die selbständige Kraft der Sprache die Eigenschaft, alles starke Erleben im Wortwerden, über die zufällige Gebundenheit, in seine allgemeingültige Form zu verwandeln. Es ist das Wesen der Sprache, daß sie in seelischen Beziehungen zwischen Mehreren wurzelt, daß sie nicht dem Einzelnen gehört, daß sie deshalb nichts Nur-Individuelles ausdrücken kann, sondern das Individuellste zum Typischen erheben muß. Die Verwandlung ins Wort ist geradezu die eigentliche Geburt jedes geistigen Erlebnisses. Eckhart hat das tiefsinnige Wort ausgesprochen, das den gewaltigen gestaltenden Künstler zeigt, der, sich erkennend, in diesem Manne, ein Bild des wirkenden Gottes, verborgen war: „Form gibt der Materie Wesen, und Wesen ist reine Beziehung auf sich selbst“. Die Form, die dem geistigen Erleben Wesen gibt und es damit eine um sich rollende Welt werden läßt, ist die Sprache. Sie ist zu allererst laute, hallende Rede zu Hörenden; auch heute, selbst dann, wenn sie im einsamen Zimmer aus der Feder fließt und in lautlosen Schriftzeichen auf das Papier gebannt wird. Nicht nur das leise, klanglich so wundervoll entwickelte, das begleitende eigene Hören ist da im Schreibenden. Fremde Ichgefühle erfüllen ihn horchend und haben, während er zu ihnen redet, eine gespensterhafte Scheinpersönlichkeit, sie sind in ihm wie Spiegelbilder, sind in ihm — wie dann in ihnen der Redende, wenn sie lesen. Die Zahl der inneren Hörer kann wechseln: es kann der Empfänger eines Briefes sein; die Genossen einer Zeit, eines Volkes; darüber hinaus kann das innere Lauschen wie Lauschen der Menschheit werden. Auch der Schreibende selber, dessen ganz zu-fälliges persönliches Erleben Wort wird, hört — wie die andern, ein Neues, Allgemeines, ein Erleben, dem er sich demütig wie einem Schicksale beugt, das nicht mehr sein ist. Das wirkt die Sprache. — Altväter sind lebendig in uns, wenn wir die Sprache gebrauchen, die sie laut und klangvoll als Rede schufen. 

DIE BERUFUNG DES JOHANNES

Die deutschen Mystiker des Mittelalters, obwohl auch sie schon viel geschriebenen Wortes sich bedienten, waren, mehr als wir, noch lebendige Sprecher. Ihr Auftreten bedeutet das Werden einer geistigen, mit der Fülle und der Klarheit ihrer Bildungen den letzten seelischen Wirklichkeiten gewachsenen deutschen Sprache. Suso sagt: „Ein Ding soll man aber wissen: als ungleich, der ein süßes Saitenspiel selber hört süßiglich erklingen gen dem, daß man allein davon hört sprechen, also ungleich sind die Worte, die in der lauteren Gnade empfangen werden und aus einem lebendigen Herzen durch einen lebenden Mund ausfließen gen denselben Worten, so sie auf das tote Pergament kommen, und sonderlich in deutscher Zunge; denn so erkalten sie und verbleichen wie die abgebrochenen Rosen; denn die lustliche Weise, die ob allen Dingen menschlich Herz rühret, die erlischt dann, und in Dürre der dürren Herzen werden sie dann empfangen. Es klang nie eine Saite so süß, der sie richtet auf ein dürres Scheit, sie verstummet.“

In den Mystikern war aber auch der leidenschaftliche künstlerische Drang lebendig, ihre inneren Erlebnisse wachsen und anschwellen zu lassen zum gewaltigen Gefühlsstrom in dem horchenden, ganz unintellektuell hineingezwungenen Volk. Es braucht sie nicht zu verstehen und zu begreifen, wie der Ton, in dem die Bildnerhand gestaltet, den Künstler nicht zu begreifen braucht: das Volk ist das brausende Gefühlsorchester, in dem das ganze Leben dem gepredigten Wort mitklingt. Um dieses letzte,zu ihnen aus den erregten Seelen zurückkehrende Erleben ihres schauenden Willens zu genießen, der sich in der Menge vor ihnen schwer mit der Vielheit alles erlittenen Lebens belud; um dieses Künstlergenusses, dieser Seinswollust willen, die sie mit der Menschheit tauschten — denn unserem irdisch befangenen Blicke bedeutet eine Zahl zusammengedrängter Menschen alles in allem: Volk, Menschheit, Welt — mußten diese geschlechtseinsamen Mönche Redner, Prediger werden. Vielleicht war die Rede nächst der Vision, der Verzückung, der stärkste Rausch, den das Leben ihnen bot. Rausch aber ist Schweben, Gelöstsein von der Schwere, antwortloses Versinken aller Fragen und Zweifel, reines Bejahen des Daseins. Rausch ist das ewig dunkel erstrebte Ziel des Geistes. Selbst seine höchste Klarheit wird den Charakter eines leisen gebändigten Rausches annehmen müssen, wenn keine toten Elemente mehr in ihm sind, wenn er ganz in sich aus- und zurückfließendes, ganz gelöstes Leben geworden ist.

Der Rausch der Rede bildete die Sprache der Mystiker. Es war kein Wort in ihnen, das sie nicht hörten. Sie vernahmen in sich das innere Urbild der Rede, das nun, ins Wirkliche hinüberwachsend, zum lauten Hall wurde. Wir fühlen, wenn wir ihre Worte lesen, daß sie aus lebendigem Munde klingen, daß Leidenschaft, daß eines Menschen erregter Herzschlag und Atem sie rhythmisch 

beflügelt, daß zitterndes Mienenspiel und die breite Geste über die dunkle Menge hinausgereckter Arme sie begleitet, daß ein in Visionen getauchtes Auge darüber leuchtet.

Ehe Suso auf die Kanzel hinausstieg, daß seine Rede, wie der Sturm über das Meer, über die gescharten Seelen hinabbrause, pflegte er sich selber zuzurufen: „Suso, laß sausen!“

Wir wissen, was in ihm lebendig war, welche Fülle von Schauung ihn welttrunken machte, wenn er vor der Menge stand. Er hat darüber eine Äußerung getan, die sich nicht einmal auf eine Predigt, sondern nur auf die lateinische Präfation vor der Stillmesse bezieht, die aber ahnen läßt, was ihn predigend bewegt haben mag.

,Er ward gefragt, was sein Gegenwurf wäre, so er Messe sänge und vor der Stillmesse die Präfation anhöbe. (Denn die Worte nach gemeiner Heilung sprechen zu deutsch also: Sursum corda! Seufzet auf in die Höhe alle Herzen zu Gott! Diese Worte gingen ihm so recht begierlich aus seinem Munde, daß die Menschen, die sie hörten, eine sonderliche Andacht darob möchten genommen haben.) Dieser Frage antwortete er mit einem innerlichen Seufzen und sprach also: „Wenn ich dieselben löblichen Worte, die da heißen: Sursum corda! sang in der heiligen Messe, so geschah gemeiniglich, daß mein Herz und Seele zerflossen von göttlichem Jammer und Begierde, die mein Herz aus sich selber an der Stunde nahm; denn es erhoben sich dann gewöhnlich dreierlei hochauftragende Meinungen; etwann kam eine, etwann zwei, etwann drei, in denen ich aufgeschwenkt ward in Gott und durch mich alle Kreaturen. Die erste einleuchtende Meinung war also: Ich nahm vor meinen inneren Augen mich selber nach allem, das ich bin, mit Leib, Seele und allen meinen Kräften und stellte um mich alle Kreatur, die Gott je schuf im Himmelreich, im Erdreich und in allen Elementen, ein jegliches sonder-lich mit Namen, es wären Vögel der Luft, Tiere des Waldes, Fische des Wassers, Laub und Gras des Erdreichs und das unzählige Grieß in dem Meer, und dazu all das kleine Gestäube, das in der Sonne Glanz scheinet, und all die Wassertröpflein, die von Tau, von Schnee oder Regen je fielen oder immer fallen, und wünschte, daß deren ein jegliches hätte ein süß-aufdringendes Saitenspiel, wohlbereitet aus meines Herzens innerstem Safte, und also aufklingend ein neues hochgemutes Lob brächte dem geminnten zarten Gott von Ende zu Ende. Und dann in einer be- gierlichen Weise zerdehnten und zerbreiteten sich die minnereichen Arme der Seele gen der unsäglichen Zahl aller Kreaturen, und war meine Meinung, sie alle fruchtbar darin zu machen, recht so wie ein freier wohlgemuter Vorsänger die singenden Gesellen reizet, fröhlich zu singen und ihre Herzen zu Gott aufzubieten: Sursum corda!“

JOHANNES ERBLICKT DAS BUCH MIT DEN SIEBEN SIEGELN AUF DEM SCHOSZE GOTTES UND DAS LAMM, DAS DIE SIEGEL LÖSEN SOLL 

 „Die andere Meinung war also“, sprach er: „Ich nahm hervor in meinen Gedanken mein Herz und aller Menschen Herz und hinterdachte, was Freude und Lust, was Liebe und Frieden die genießen, die ihr Herz Gott allein geben, und aber was Schaden und Leiden, was Leid und Unruhe zergängliche Minne einträgt ihren Untertanen, und rief dann mit großer Begierde zu meinem und zu denselben Herzen, wo sie immer seien über alle Ende dieser Welt: Wohlauf, ihr gefangenen Herzen, aus den engen Banden zer- gänglicher Minne! wohlauf, ihr schlafenden Herzen, aus dem Tode der Sünden! wohlauf, ihr üppigen Herzen, aus der Lauigkeit eures trägen hinlässigen Lebens! Hebet euch auf mit einem ganzen ledigen Kehr hin zu dem minniglichen Gott! Sursum corda!

Die dritte Meinung war ein freundlicher Ruf allen gutwilligen ungelassenen Menschen, die verirrt gehen in sich selber, so daß sie weder an Gott noch an der Kreatur hangen, weil ihr Herz mit der Zeit hin und her zerstreut ist; denen rief ich, und mir selbst, auf ein kühnes Daranwagen unser selbst, mit einem ganzen Abkehr von uns und von allen Kreaturen.“

Und dies war sein Gegenwurf bei den Worten: Sursum corda!‘ —

* *

Nicht nur Klang, Rhythmus, lebendigen Tonfall bekam die Sprache der Mystiker durch das Reden zur Menge. Sie wurde auch anschaulich, körperhaft. Der Grundstrom des Vorstellens, der durch sie dahinfloß, ward ganz ins Sichtbare gewandelt. Je mehr vielleicht die Mystiker fühlten und wußten, daß all ihr tieferes Erleben, seiner ewig unerreichbaren Gottmitte zu, unverständlicher, unausdrückbarer, schließlich für sie selbst wortlos und darüber hinaus unfaßbar, vorüberfliehend wurde, um so mehr drängte es sie dazu, ihre Rede wirklich, dinghaft zu machen, den Hörer, der den fast unsichtbaren lichten Kristall ihres Gedankens nicht zu schauen vermochte, wenigstens auf die Vorstufe, zu ihrer sichtbar-welthaften Anschaulichkeit zu erheben, um mit ihm, sich herabneigend, im Daseinsgefühl eins zu werden. Selbst für die reine bildlose Abstraktion, als welche die höchsten Mystiker die Einheit mit Gott aufschauend, hoch über sich, erkennen, finden sie Bilder:

„Mit Christus auf den Berg der Bilderlosigkeit steigen.“ (Ruysbroeck.)

„Wie Tag vom Traum, wie Licht von Schatten weit, ist Strand von Strand des stürmelosen Meers, des Tiefen sinken in sich hinab unendlich wie die Zeit, daß alle Spiegelbilder drin ertrinken.“

(Ein Neuerer.)

Die Mystiker fanden eine schöne, reiche, gedanklich nicht zersetzte Sprache vor, die sich lebendig zur Zeugung ihrer Erlebnisse darbot und die nun durch sie, besonders durch Meister Eckhart, zu voller gegenständlich - geistiger Anschaulichkeit weiterent-wickelt wurde, so daß in ihr selbst hohe Abstraktionen sich in bildhafte Ausdrücke wandelten. —

* *

*

Noch ein wichtiges Kennzeichen erhielt alles, was sie schrieben, durch die Rede: es ward mit Willen getränkt. Erregter Wille, nicht Betrachtung, nicht in sich selbst befangenes Gefühl hat das Wort geschaffen. Je näher jemand dem lebendigen Wort ist, um so mehr Willen muss er in sich erzeugen; denn nur der Wollende, der die Menge bewegen will, der sie fortreißen, sie zu neuen Zielen führen, der seinen Willen in sie eingießen will, ist ein Redner. Nur Wille schafft Berührung zwischen dem Redenden und den Hörern. Im Ringen mit der Schwere flugloser Seelen, stumpfer Geister, deren dumpfe Befangenheit unbewegt vor ihnen lag wie träge Flut, wurden die Worte dieser Schauenden so stark, daß sie den, der sie nach Jahrhunderten liest, anpacken - wie Sturm, daß sie ihn mit sich führen, ihn nachreißen auf den seltsamen Wegen in die Verborgenheiten der Menschenseele hinein. Der heilige Johannes vom Kreuze hat die Prägung geschaffen: „substanzielle Worte.“ Das sind die Worte, die nicht mehr Verständigungsmittel sind, die das Gute nicht mehr nur bezeichnen, sondern es wirken in dem, der sie hört. —

Durch die Schöpfung eines solchen Begriffes wie „substanzielle Worte“ ist ein Hinweis auf das subjektive Verhältnis der Mystiker zu ihrer Sprache gegeben, das zweifellos ein dichterisch-künstlerisches war. Sie empfanden ihre Sprache nicht nur als Mittel zur Übertragung von Gedanken, zur Verständigung — betonen sie doch oft und oft, daß die Sprache volle Verständigung gar nicht leisten kann, daß man das Wertvollste ,,nicht geworfen mag“, daß nur der verwandte Geist auf Grund eigener innerer Erlebnisse sich im Worte mit ihnen berühren könne — sondern als ein lebendiges wirkendes Gebilde, das in den Seelen derer, die sie hören, neue Erlebnisse zeitigt und reift, als einen Samen, der so unbegreiflich wie alles Wirkliche, die Seelen zu neuen Geburten fruchtbar macht, in ihnen zeugt und Göttliches in ihnen wachsen läßt. Abseits von allem Verstehen wollen ihre Worte, als sinnlich-seelisches Ereignis Gott — er ist dem Mystiker das Gute — wirken im Hörer, Gott in den schlummernden Tiefen des Bewußtseins wecken und rufen.

Dies Verhältnis zur Sprache zwingt den starken, um Gott ringenden Mann, zu einem stummen Opferstocke zu reden, wenn niemand ihn hören will. Denn Gott gibt sich ihm nur im Wort und entschwebt wieder dem Verstummenden. —

* *

DIE APOKALYPTISCHEN REITER 

Es unterscheidet die Mystiker von allen anderen Rednern: daß ein Letztes von ihnen unverstanden bleibt, daß sie ein Ungelöstes wieder mit zurücknehmen aus dem Untertauchen in die Seelen des Volkes, daß sie aus dem Verkehr mit der Menge, wie aus der Fremde in die Einsamkeit, heimkehren. Nicht nur, daß sie nicht verstanden wurden, hat sie bedrückt. Schmerzlicher ist es ihnen im Anblick der Wartenden, die gespannten Blickes an ihren Lippen hingen und immer wieder vergeblich hofften, das letzte Geheimnis enthüllt zu sehen, bewußt geworden, daß sie das, was sie zutiefst bewegt, gar nicht in verständliche Worte fassen können, mehr: daß sie überhaupt selber nur wenige hohe Augenblicke des inne waren, Augenblicke, die — wie die plötzlich auftauchende und ebenso rasch verfliegende Erinnerung an ein wortloses Gefühl aus vergangener Zeit, an einen Duft, einen fliehenden Klang — keinem Willen, keiner klammernden Gedankenkraft standhalten, die wie Hauch zergehen. —

In den Schriften keines Mystikers fehlen die klagenden Bekenntnisse von diesem immer wieder beginnenden Hinabsinken aus der Höhe des Göttlichen, von dem langen sehnsüchtigen Harren auf ein neues Innesein ihres tiefsten Erlebnisses, das ihnen die Lust an aller bunten Vielheit schal machte und ihnen die Breite der Erscheinungen verödete. Ruysbroeck schildert den sich plötzlich arm und verlassen fühlenden Menschen und spricht von dem „ewigen Hunger, der niemals gestillt wird, dem innerlichen Gieren und Trachten der minnenden Kraft und des geschaffenen Geistes nach einem ungeschaffenen Gut“. Er sagt:,, Ein geschaffenes Gefäß kann kein ungeschaffenes Gut fassen. Darum bleibt da ein ewig hungerndes Sehnen, und Gctt fließt darüber weg in einem Nichtgewähren.“

„Das Empfinden ist nicht in deiner Gewalt, sondern in seiner, wie es ihm füget.“ (Tauler). —

Ein Neuerer faßt das beklagte Hinabsinken der „bildlosen Träumer an der letzten Pforte“ in die irdisch bildhafte Vorstellungswelt in die Verse:

„Gedanken, die, wie Äther klar und rein, Unsichtbar mich aus meiner Enge führten, Verwandeln sich zu sichtbaren Bilderreih’n, Als ob sie mit der Erdkraft sich berührten.“

Das leitet zum Problem über. — 

II. ABSCHNITT. PROBLEM

I.

ES WÜRDE IRRTÜMLICH SEIN, aus den zahlreichen heutigen Neuausgaben mystischer Schriftsteller— Eckehard, Tauler, Suso, die deutsche Theologie, Angelus Silesius, Plotin, Swedenborg, Paracelsus sind teils erschienen, teils von Buchhändlern angekündigt — auf irgend eine tiefere Beziehung des Heute zu mystischem Weltanschauen zu schließen. Geistes- und Kulturformen sind uns lediglich in höchstem Maße Liebhaberei geworden. Es hat symptomatisch für uns ganz die gleiche Bedeutung, ob wir uns mit den galanten Franzosen oder den Mystikern beschäftigen. Nicht das Leben hat die alten Formen aufgegriffen, sondern wissenschaftlich-künstlerische Liebhaberei erforscht sie, findet ihre Freude am Deuten schwerer verständlicher Probleme. Jeder echte Liebhaber ist Psychologe. Es ist dabei jedenfalls bemerkenswert, daß wir vor allem Epochen-, Gruppen-, Typen-Psy- chologie treiben, Psychologie allgemeiner Fragen. Sicher hat Nietzsche stark in dieser Richtung angeregt. Es scheint, als ob die Psychologie hervorragender Individuen wenn nicht zeitweilig erschöpft ist, doch sehr an Interesse verloren hat; ganz inkommensurable Zufälle sind im Individualleben entscheidend; man empfindet allzusehr die Willkür und die dennoch mangelnde Allgemeindeutigkeit der psychologischen Analyse des hervorragenden Individuums. Schließlich hatte man den Ausweg, es mit Taine in seine Zeit, sein Milieu hineinzustellen und rein aus ihm zu erklären. Aber damit kam man nur an das Typische, das offenbar durch das Singuläre der Persönlichkeit noch dazu getrübt wird. Die Verlockung mußte eintreten, das Typische als solches psychologisch zu erfassen; Epochen und ganze Gruppen von Männern einer geistigen Richtung oder Beanlagung als eine Art kombinierter Persönlichkeit anzusehen, in deren Leben auch der Zufall typische, d. h. bestimmt wiederkehrende Züge annimmt und zum Symptom wird. Im Verhältnis zur Psychologie des allen Gemeinsamen, die nur elementare Erkenntnisse bringen kann und notwendig zuletzt in Messung von Reiz- und Reaktionszeiten mündet, ist diese Anschauungsweise eine Art Individual-Psychologie. Aber sie wird dennoch in ihrer Vollendung und Zusammenfassung ein ganz monumentales Bild des Menschen aller Zeiten und Kulturen aus sich erzeugen, in dessen großen Dimensionen alle Widersprüche Raum haben, und unter das man des Sophokles’ Wort wird setzen dürfen: ,,Nichts ist gewaltiger als der Mensch.“

II.

Kaum eins der typischen Probleme des mensch-lichen Geistes ist so verwirrt wie das der Mystik. Es hat die deutlichen Anzeichen, daß es ein allgemeines geistiges Problem ist, d. h., daß es jeder Geist in sich zu spiegeln, in seiner wesentlichen Form zu reproduzieren vermag, sobald die Analyse die zufällige Fremdheit seiner einzelnen Erscheinungsarten abgelöst und seine durchaus gemeinsamen Elemente dargelegt hat. Es hat aber ebensoviele Anzeichen des Abnormen, des Hyperindividuellen, das nur pathologische Analyse bestimmen kann; des Krankhaften, das Elemente gesunden Geistes nicht nachzuleben vermögen. Es ist — wenn wir es in seiner ganzen Ausdehnung nehmen — gleichzeitig psychologisches wie pathologisches, also: inneres wie äußeres Problem.

Die Dokumente mystischen Erlebens, die wir zum Gegenstand unserer Forschung machen können — teils erzählende Schilderungen von Visionen und Ekstasen, teils Predigten und Betrachtungen, teils lyrisch-phantastische und hymnische Dichtung —, sind außer-ordentlich getrübt und schwer lesbar gemacht durch die sklavische Abhängigkeit der meisten und bedeutendsten Mystiker von der Vorstellungswelt des Christentums. Sie sind mit den Bildern und Gedanken dieser legendären Weltanschauung so getränkt, daß sich ihnen der fremde christliche Ausdruck immer wieder vor oft ganz und gar nichtchristliche innere Erlebnisse vorschiebt; daß sie abschweifende selbständige Gedanken zurückzwingen in die Sphäre, wenn nicht der Dogmen, so doch des dogmatischen Vorstellens; daß sie religiös deuten und umschreiben, was rein philosophisch-künstlerisches Erleben ist. Was für kosmische Emanationsgedanken zwängt nicht Eckehard z. B. in das Symbol der Sohnschaft Christi hinein und verdunkelt sie notwendigerweise mit dem inadäquaten Bild. Durch die dogmatische Weltansicht des christlichen Theismus ist die organische Bildung der für den Mystiker naturnotwendigen einheitlichen Weltanschauung in mehreren Fällen verhindert worden; nur im Bild, im Empfindungslaut lebt da das All-Eine — in der Fassung des Gedankens der Dualismus. So bei Eckehard. Die von Feuerbach festgestellte Tatsache, daß der Religion das Bild zur Sache wird, erschwert die Be-trachtung aller mystischen Schriften um ein weiteres: aus Religion fälschen sie das dichterische Bild, das nur Bild ist — als Dichter die Religion. Das letztere wenigstens ist historisch durch die Exkommunikation zahlreicher Mystiker bestätigt. —

III.

Bleibende Bedeutung hat von dem mystischen Erleben nur, was in der schmalen Zone des Allgemeinen, des wenigstens mittelbar Verständlichen liegt, was Symbol ist für typisches Erleben. Die rohen Mystiker, die Exstatiker und Konvulsionäre, sind geistig unbedeutend und wenig interessant, weil in ihnen alle mystischen Vorgänge im Dunkeln und in einer Art Bewußtlosigkeit vor sich gehen; weil sie uns keinerlei verständliche Dokumente über das Wesen ihres Erlebens geben können, das ihnen rein tatsächlich bleibt. Nur die Mystiker kommen für das Problem in Frage, die das Mystische bewußt und staunend erleben, die jene sublimierte, verfeinerte Art des Erlebens haben, welche die begleitende Bewußtheit nicht aufhebt und das ganze Geschehen ins Geistige hinüberzieht.

Es handelt sich also bei dieser Erörterung um die Mystik nur insoweit, als sie ein geistiges Problem, eine eigentümliche und wesentliche Erscheinung des menschlichen Geistes, nicht eine seiner zufälligen, epochal bedingten, Krankheiten ist. Es gilt, die Elemente des objektiv reinen, seelischen Vorgangs zu sondern von dem in allen Überlieferungen damit verbundenen unrein-subjektiven Wahn, von Willkür und schließlich von priesterlicher Inszenierung.

Wir wollen die geistigen Wirklichkeiten, die hinter den Worten der Mystiker liegen, auffinden, innerhalb des seelischen Gebietes sozusagen geographisch bestimmen, den Weg zu ihnen kenntlich machen.

IV.

Was sind geistige Wirklichkeiten ?

Innere Zwänge; die sich manifestierenden Gesetze unseres psychischen Lebens; die Ruhepunkte, auf denen sich das wirbelnde Chaos der erregten Seele immer wieder sammelt; die in der stagnierenden Psyche durch die Schwere der reglosen Vorstellungsmassen verhüllten, in der lebendig bewegten, aber immer wieder sich bildenden Formen der Grundgestalt. —

Geistige Wirklichkeiten sind die Vorstellungen, Gefühle und Gedanken, die gänzlich unserer Willkür entzogen — ja, die auch dem Assoziationsprozeß ent-zogen sind, den sie vielmehr in seiner wesentlichen Richtung, wie unbekannte magnetische Ziele, bedingen. Wir müssen sie, sobald sie uns gewahr werden, mit der Empfindung desselben auf uns ausgeübten Zwanges, den die äußere Realität für uns hat, anerkennen. Es ist deshalb das Wesen geistiger Wirklichkeiten, daß sie jedesmalige Schlußsteine, Grenzen, Gipfel sind, über die kein Assoziationsweg hinaufführt, von denen aus, wie von höchsten Bergesspitzen, der Blick noch in unbestimmt wandelndes Himmelsgewölk taucht, aber der Fuß keinen Schritt mehr aufwärts tun kann; von denen es immer wieder nur ein Zurücksinken in den Halbschlaf des Erfülltseins von zufälligen Vorstellungen geben kann.

Liegen in der Mystik geistige Wirklichkeiten ?

Die Überzeugung drängt sich unabweisbar auf, daß eine mit allen bisherigen Kulturen irgendwie verbundene, noch in fast jeder Epoche auftauchende psychische Erscheinung, deren Dokumente überall dieselben Kennzeichen, zahlreiche, auf eine organische Verwandtschaft der Urbilder deutende Momente zeigen, in sich — mag sie auch noch so oft ungesund 

DIE VERTEILUNG DER POSAUNEN AN DIE SIEBEN ENGEL 

übersteigert sein — auf einem letzten Menschlich- Wesentlichen beruhen, daß sie uns mithin durchaus verständlich sein muß, daß in ihr geistige Wirklichkeiten liegen. Der in aller Mystik sich bekundende Trieb nach Ausdruck, nach sprachlichem Formen, nach Festhalten und Übertragen des Erlebnisses beweist, daß die Mystiker es als ein Übertragbares empfanden, daß es für sie den Charakter des Zwanges, des Objektiven, des Wirklichen hätte'} einen Charakter, der ihnen in den vom Zufall unabhängigen Wiederholungen und der Dauer des mystischen Erlebens bewußt wurde. Nur das Wiederkehrende, selbständig wirksam in die Erfahrung Eintretende, in seinen Wiederholungen sich schließlich von allen Zufallsumgebungen Ablösende, eigene Gestalt Gewinnende zwingt zum Ausdruck.

Es ist wahrscheinlich, daß das mystische Erlebnis der ihre Möglichkeiten durchwandernden erregten Psyche — auch ohne all das Geheimnisvolle, womit die Mystik sich ehedem umgab — erlebbar, im Umkreis der überall vorhandenen Erregungen des allgemeinen Lebens erlebbar sein wird.

V.

Es sind aber auch zahlreiche Momente vorhanden, die darauf hindeuten, daß das mystische Erlebnis nur selten, nur unter besonderen Umständen erreichbar, daß es zum mindesten keins der ganz allgemeinen elementaren Erlebnisse ist, an denen  niemand vorüber kann; daß es einer höheren Stufe geistiger Entwicklung angehört, einem gesteigerten Bewußtsein vorbehalten bleibt. Seine oft und von vielen behauptete Wirrheit und Unverständlichkeit, auf Grund deren man die Mystiker zeitweilig für Narren erklärt oder als bloße Betrüger verlästert hat, ist genugsam Beweis hierfür. Die Umständlichkeit, mit der fast alle Schriftsteller der Mystik zu lehren suchen, wie man zum mystischen Schauen gelangen könne, der Inhalt dieser Lehren, die ein ganzes, nur auf das eine Ziel gerichtetes, entsagungsreiches Leben fordern, nicht minder.

So ward ihm geheimnisvoller Charakter und der Name des ,,Mystischen“. Aber sein Wesen ist in dieser Zweiheit: in dem sofort gefühlten, langsam wachsenden Verständlichsein eines scheinbar Unverständlichen, im Wirklichwerden eines scheinbaren Phantasmas.

VI.

Der äußere Weg, den die mystischen Schriftsteller empfehlen, besteht zunächst in körperlichen Übungen: in Enthaltsamkeit von allen Genüssen . und ihrer Steigerung, in Askese. Wir sind mit Recht gegen so äußerliche Mittel, als die zu einem geistigen Ziel führen sollen, mißtrauisch. Offenbar werden hier von Anfang an subjektive pathologische Nebenzwecke verfolgt. Nicht das geistige, von aller äußeren Wirklichkeit (die im Verhältnis zu ihm auf die Stufe des Zufälligen zurücktritt) abgelöste zwecklose Erlebnis ist Ziel dieser Übungen; sondern seine brutale Übersteigerung zu einer die gegenständliche Welt auslöschenden Illusion, zu einer Sinnen- und Nerven-täuschung (für welche die Körperzerrüttung und die Dressur des Willens notwendig sind) und damit seine Minderung und Herabsetzung aus einem Erlebnis der inneren geistigen Gesetzmäßigkeit (einem in seiner Art notwendigen Erlebnis) in die zufällige äußere Wirklichkeit.

Es ist bedeutsam, daß einer unserer größten Mystiker, Suso, der jung dieser barbarischen törichtasketischen Vorbereitung verfiel, sich später davon ganz abwandte und auch anderen „anfallenden Menschen“ diese übertriebenen Selbstpeinigungen geradezu widerriet. ~

Derselben Meinung ist Tauler: „Wo ein Tag wäre, da man fasten sollte, und du findest, daß deine Natur dadurch zu sehr geschwächt und du den höchsten Weg der Wahrheit zu gehen verhindert werdest, so nimm Urlaub von deinem Beichtiger, und wenn dir der Urlaub nicht werden mag, so magst du von Gott Urlaub nehmen, und iß etwas bis morgen, und wenn du zu dem Beichtiger kommst, so sprich: Ich war schwach und aß, und nimm darauf Urlaub. Die heilige Kirche meinte noch dachte das nie, daß sich jemand verderben sollte.“

Keinen Zweifel über die geringe Bewertung des um seiner äußeren Stärke willen unallgemeinen, unvermittelbar vergänglichen Erlebnisses läßt auch die wundervolle Nüchternheit, mit der Meister Eckhart die Visionen verächtlich belächelt: „Wäre der Mensch selbst in einer Verzückung wie dort einmal St. Paulus und wüßte einen siechen Menschen, der eines Süpp- leins von ihm bedürfe, so erachte ich es weit besser, du ließest aus Minne von der Verzückung und dientest dem Dürftigen in größerer Minne.“

Die Erlebnisse, zu denen der Weg der Askese führt, werden uns in ihrer subjektiven Krankhaftigkeit so fremd bleiben, wie etwa die eines Haschischgenießers, eines Opiumrauchers oder eines Absinthtrinkers.

Bedeutsam wird uns das geistige Ziel, zu dem der pathologische Weg der Askese führt, nur dann sein, wenn auch dieser andere zu ihm hinleitet: das nicht einseitig, sondern in der Fülle seiner Tatsachen, erlittene Leben.

So sehr wir zuerst den auf das Äußerliche gerichteten mystischen Ratschlägen widersprechen mußten, als aus welchen allein nie ein geistiges Resultat sich ergeben kann, so müssen wir andererseits jede Regelung des äußeren Lebens, die das Blühen und Fruchtbringen des Geistes fördert, die zu einer umfassenden und konzentrierenden Sammlung führt, als unterstützendes Moment, als Hilfe, die das Erreichen des Ziels erleichtert, gutheißen. Denn das mystische Erlebnis fordert zu seinem Zustandekommen allerdings ein äußeres Sichabwenden von den Zerstreuungen der Sinne. Es bedingt die Hereinziehung des wollenden Ichs ins Innerste des psychischen Lebens.

Aber der Unterschied bleibt zwischen uns und ihnen: was ihnen Beginn ist, erster Schritt oder wenigstens Vorstufe, ist uns nur äußere Unterstützung eines von allem Anfang an geistigen Vorgangs.

VII.

Der innere Weg, der lediglich durch geistige Gebiete führt, erscheint — wie ihn die Mystiker empfehlen — fast als eine Spiegelung des äußeren Weges. Dem Sichabwenden von den Dingen soll ein Sich- abwenden von den Bildern folgen, ,,aller Bilde Bildlosigkeit“ soll erreicht werden.

,,So lösen wir die Seele aus der Haft

des schweren Leids von geistgewordener Erde, der sie verhüllt auf ihrer Wanderschaft.“

(Ein Neuerer.)

,,Wer in dem Innigsten will sein, der muß sich aller Mannigfaltigkeit ,entschütten. Man muß sich setzen in ein Verruchen alles dessen, das das Eine nicht ist.“ (Suso.)

Man wird an die Jean Paulsche Unterscheidung gemahnt, der vom Äußeren, Inneren und Innersten des Menschen spricht; allein das Innerste (worunter er gewissermaßen die seelische Quelle, die Entelechie Goethes, versteht) sei unsterblich; die Breite des Bewußtseins aber, wie der Leib, ein Vergängliches. In dies zeit- und raumlos, bild- und gedankenlos ge-wordene, allein wesentliche Innerste des Menschen wachend zu gelangen erscheint als das Ziel der Mystik.

Die Bestimmungen dieses Weges sind im wesent-lichen negative. Naturgemäß. ,,Was ist eines wohl-gelassenen Menschen Übung? das ist ein Entwerden.“ (Suso.) ,,Der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang.“ (Suso.) Ein Neuerer: „Man muß allen Dingen ihren Wert abringen, daß sie zerfallen.“ „Das ist ein Entsinken sich selbst, und mit ihm entsinken ihm alle Dinge.“ (Suso.)

Den Blick aufwärts gerichtet ins Licht der Himmel, von dem Gefühl des Schwebens, des Steigens in niederfließender Luft durchströmt, unter sich ein Sinken fühlend, mit dem die Welt in die Abgründe der Vergangenheit hinabrollt — so bildet der Geist des zwischen der Erde und Gott stehenden Mannes die tiefsinnigen Worte, mit denen er die Menschen zum mystischen Erleben bereitet. Und er findet nichts anderes als Schilderungen des Sichabwen- dens, des Versinkens aller Vielheit, des Hinauf- und Hineinschwebens ins Eine, das dürres Wort bleibt, weil es unsagbar ist.

Der Mystiker empfiehlt Sammlung, Konzentration. Aber Konzentration passiver Richtung, keine wollende Konzentration, keine, die, sich bewußt das Ziel setzend, als ein Zielwillen entsteht; sondern eine leidende Konzentration, die erst aus sich selbst aktiv, schöpferisch werden muß, die das innere Chaos gewähren läßt und seine seltsame neue Bildung, sein Erhärten zur gestalteten Welt, ruhig erwartet.

Es ist sicher, daß die Mystiker in dem gewaltigen Untergrund des Bewußtseins, im Unbewußten, den Zusammenhang des Menschen mit dem All sahen. Das Unbewußte soll reden, alles Tages- und Lampenlicht soll gelöscht sein, damit wir das unendlich ferne Licht der Sterne sehen. Darum heißen sie ja das Bewußtsein schweigen, darum predigen sie Leiden, damit das Tiefste im Menschen tätig werde und handle. Sie wollen das Individuum untätig vor dem Wirken des Allgemeinen.

„Mag ein Mensch die Sache nicht begreifen, er sei müßig, so begreifet ihn die Sache.“ (Suso.)

„Du kannst Gott nicht Lieberes bieten als Ruhe. All dein Wachen, Fasten und Gebet siehet Gott nicht an gegen diese Ruhe.“ (Eckhart.)

Es ist dasselbe religiös ausgesprochen, was der starke Geist eines kritischen, wissenschaftlichen Zeit-alters, der aber aller mystischen Regungen teilhaftig ist, in das nüchterne Wort faßt: „Müßiggang ist aller Psychologie Anfang.“ Dasselbe Ruhigwerden der Seele — dort, um aus dem in der Ruhe beginnenden Selbstleben des Grundes große Einheitsentzückungen und -gewißheiten zu schöpfen, hier, um aus ihm Er-kenntnisse zu gewinnen.

VIII.

Offenbar ist das psychische Ziel, zu dem alle diese Vorbereitungen führen sollen, verwandt, aber nicht identisch mit einem vorangegangenen Erlebnis, das den Mystiker zunächst selbst in die mystische Richtung wies. Wir werden mit Fug ein Anfangsund ein Enderlebnis unterscheiden können.

Welcher Art ist das Anfangserlebnis ? —

Was zu allererst in den mystischen Schriften auffällt, ist ihre feine und tiefe Psychologie des Reifens, des Wesentlichwerdens Man erkennt sehr bald: Erziehung zum Reifwerden ist das einzige große Thema aller mystischen Schriftsteller und Dichter. Eine Kapitelüberschrift bei Suso gibt den Kern der Mystik mit den Worten: „Ein vernünftiges Einleiten des äußeren Menschen zu seiner Innerkeit.“ Wenn das Grundthema der Mystik Erziehung zum Reifen ist, und die Mittel dieser Erziehung auf den ersten Blick eine tiefe und eindringende Psychologie des Reifens zeigen, so ist damit gegeben, daß die Mystiker Männer sind, die das Reifen sehr intensiv erlebt haben. Daß sie gerade durch ihr Reifen ge-kennzeichnet werden. Daß das durch ihre besondere Anlage in ihnen ein wenig deutlicher als in allen Menschen vorgebildete, spezifisch mystische Anfangserlebnis, ein einfaches Wachstums- und EntwicklungsErlebnis ist.

JOHANNES, DAS BUCH VERSCHLINGEND, DAS DER ENGEL MIT DEN SÄULEN- FÜSZEN IHM GEREICHT

 Es ist schlechthin das durchs Gefühl ins Bewußtsein eindringende geistige Zunehmen, das Entdecken neuer Kräfte und Fähigkeiten im Ich, die nicht nur das Ich wandeln, was im Bewußtwerden schon geheimnisvollen Charakter hat, sondern die vor allem unbeobachtet und nicht auf den unter der Aufsicht des Bewußtseins stehenden Aufnahmewegen ins Ich gelangten; die somit plötzlich zum Ahnen, ja zum Wissen von einem tiefen, engen, unsichtbaren Zusammenhänge des Ichs mit der Welt führen und damit den Menschen an sein Unbewußtes als an seine Quelle weisen.

Worte fassen dies Erlebnis kaum. Es wird wie eine plötzliche Erleuchtung empfunden. Es erweckt das Gefühl eines Einstürzens innerer Scheidewände im Bewußtsein. Es ist wie ein Lebendigwerden unserer ruhenden Gründe. „Seine Gesellen nahmen Wunder ob der geschwinden Änderung, wie ihm geschehen wäre, und sprach einer dies, der andere das; aber wie es war, das rührte, noch traf niemand, denn es war ein verborgener lichtreicher Zug von Gott; und der wirkte geschwindiglich den Abkehr.“ (Suso.)

Es mag mehr geistig oder mehr sinnlich erlebt werden. Als ein inneres Gedankenlicht, ein zeugendes Strahlen der in die Unendlichkeit sehenden Vorstellungen, welche die Welt in sich zu umfassen scheinen; oder mit starker Gefühlserregung als plötzliche verwandtschaftliche Liebe zu allen Dingen — ich erinnere an Franziskus’ wundervollen Bruderhymnus — als ein Gefühl unlöslicher Zusammengehörigkeit des Ichs mit dem All. Hineinwachsen, Verwobenwerden in die lebende Stille eines Waldes. Ein waches Sichlösen von allen Bildern bei dem Verfließen der Seele in den Schlaf. In jedem Fall: Ein-setzen eines rhythmisch stark bewegten, weit aus-flutenden Einheitsgefühles, das alle Trennungen aufhebt, das in der Persönlichkeit einen Gedanken an ihre eigene Auflösung mit einem beglückten Begleitgefühl erzeugt und sie sich selbst ganz belanglos erscheinen läßt.

„Ich will kein Einzelner mehr sein.

Ich bin dpr.Welt, die Welt ist mein’“ (Brentano).

Am nächsten sind vielleicht diese Verse eines Neueren dem Erlebnis gekommen:

„Flüsternd umkreist die Dämmerung mich und mein Licht, das nach ihr greift. So alt ist alles, ich so jung — Da ist’s, als ob ein Wort mich streift, das rings um mich zur Fülle reift: „Du bist so alt als alle wir“ sprach es das Licht, sprach es der Baum, sprach’s der zersprungene Tisch vor mir, sprach’s um mich her der Dämmertraum? Ich fühl’ es dunkel jetzt und hier. Wie lächeln doch die ewigen Dinge, wenn solch ein Strudel Erdenzeit, ein Mensch, aufwacht in ihrem Ringe, aufbraust in ihrer Einsamkeit.

Sie lächeln mich in ihre Ruh. Nun rag’ auch ich uralt vom Grunde —“

Ich kann nicht glauben, daß es irgend einen Dichter oder einen Weisen gegeben hat, in dessen früher Zeit nicht auch diese Durchbrechung des umgrenzten Ichs Ereignis wurde. Daß sie, trotz ihrer rein geistigen Natur, physiologisch in der Entwicklung des Geschlechts gründet, gewissermassen eine ideelle Spiegelung der Vereinzelungs- und Einheitsgefühle, und des sie begleitenden Seinsrausches in wechselnden Brechungen, selbst Umkehrungen, ist; und daß hier das erotische Moment, die Gottliebe des Mystikers, eine ihrer Quellen hat, sei angedeutet. Das mystische Anfangserlebnis kann zu Askese wie zu Orgiasmus führen, es kann, wenn nach dieser Erfahrung die Vereinzelung wieder ganz begriffen wird, die höchste Kräftigung alles Individuellen be-, deuten. Für die geistige Entwicklung kommt es vor allem mit dieser Seite in Betracht: es gebiert immer wieder aus sich den Pantheismus. —

’ IX.

„Herr, wer mag in dem unverwankten Anblicke deines göttlichen Gegenwurfs zu allen Zeiten bestehen ?“ (Suso).

In allen mystischen Schriften stehen häufige Klagen über das stete Wiederhinabsinken von dem Gipfel der Einheit, dem Einssein in die schmerzvolle, verlassene, heimatlose Einzelheit.

Auch das Anfangserlebnis war spontan, vorüber-fliehend, Augenblick eines merkwürdigen Gefühlsund Gedankenkomplexes. Huschend, wie uns oft die Erinnerung an ein längst vergangenes Gefühl aus Kindertagen, der Hauch eines Duftes, zwei Takte einer alten Melodie — uns einen Herzschlag lang beseligend und dann ins Gestaltlose zergehend — vorüberfliehen. —

Es wäre verständlich, wenn der Mystiker —der sich in diesem Erlebnis berauscht hat — der tiefen Gefühlstrunkenheit wieder und wieder teilhaftig werden, vielleicht gar sie steigern, sie wesenhafter machen möchte und nun in sich eine Bereitschaft dafür zu schaffen sucht. Dies Moment ist vorhanden, aber es ist nicht allein entscheidend.

Ein zweites Erlebnis dämmert herein, umschreitet sich mit dem andern, wird plötzlich allen bewußteren Menschen das bestimmendste für das ganze Leben: das dem Jüngling, welcher der Traumsicherheit der Kindheit entwachsen ist, irgendwann plötzlich und mit Schrecken ins Gefühl tretende Erfassen der Wesenhaftigkeit des Todes, der ihm nur Name war. —

Alles Nachsinnen über das Leben, alle Versuche, es zu deuten, setzen ein mit dem Gedanken an den Tod. Die Art, wie wir uns mit ihm abfinden, bestimmt unser bewußtes Verhältnis zum Leben. Hebbel läßt den Holofernes den Tod nennen: „Ein Ding, um dessentwillen wir das Leben lieben.“ —

Das erste Durchzittertwerden von dem Todes-gedanken (das mehr ist als Furcht, die das Kind auch hat!) steht zu dem mystischen Anfangserlebnis in Beziehung. Vielleicht zunächst äußerlich: es gehört denselben Entwicklungsjahren an. Beide Erlebnisse sind gewissermaßen Stufen des geistigen Mündigwerdens und würden, schon durch ihre zeitliche Nähe, leicht miteinander verschmelzen. Vielleicht aber wecken sie einander auch geradezu mit den in ihnen vorhandenen Momenten von Verwandtschaft, die darin liegen, daß in beiden Einzelheit und Allgemeinheit als etwas deutlich Getrenntes und doch zueinander ganz eigentlich Grenzenloses gefühlt werden. Offenbar liegt in dem mystischen Anfangserlebnis, das ein letztes Gefühlserlebnis ist und sich uns in Gedanken lediglich spiegelt, ein starkes Schutzgefühl gegen die Todesfurcht: im Umkreise des Ganzen, mit dem sich der Mystiker in Einheit fühlt, ist sein Tod nicht mehr Tod, sondern nur noch Wandlung, ein ewiges Bleiben im Ringe des Lebens. Hier liegen für den mittelalterlichen Mystiker unbewußte Gefühlstatsachen, denen seine Gedanken über den Tod noch nicht entsprechen konnten. —

Mehr noch als auf den Tod wurde besonders des jungen, der Religion zugewandten Mannes Gewissen durch eine ganz unreale, phantastische, kirchliche Sündenlehre auf das gewiesen, was dem Tode in der Meinung der Zeit folgte: die ewige Vergeltung. —

Hier ist der mittelalterliche vom neuzeitlichen Menschen deutlich geschieden. Diesem ist der Tod ein Ende, ein Aufhören aller Dinge, ein Erlöschen alles Bewußtseins zum mindesten; das Ich verliert seine Bestimmungen. Dem mittelalterlichen Christen war der Tod nur eine Stufe, ein bewußt und persönlich erlebter Uebergang, war er der Beginn des Gerichts; nicht der Schauder des Nichtseins, sondern ganz bekannte, nach irdischem Bilde geschaffene Schrecken und Qualen standen für ihn hinter jener Pforte. — Mag sich ihm irgendwo im Gefühl, fernem, die Sonne bergendem Gewölk gleich, ein Schatten von Zweifel an der persönlichen Fortexistenz nach dem Tode vor das Glaubenslicht der Religion geschoben haben (der Keim unserer heutigen Anschauung), sicherlich wird keiner der mittelalterlichen Mystiker solch tollkühnen Zweifel in der Wirklichkeit des deutlichen Gedankens haben Gestalt gewinnen lassen. —

Das wandelt die Spiegelung des Erlebnisses im Bewußtsein, wandelt seine Bedeutung und dringt in alle Worte und Bilder ein, die es schildern; aber es kann die erkennbar zugrunde liegenden Gefühlstatsachen nicht berühren; Gefühlstatsachen, die wahrscheinlich nicht allzuviel Wandlung auf dem Wege zu uns durchgemacht haben. Was verschlägt es groß, ob die Mystiker ein ewig die Welt durchpulsendes Leben in ihren Erregungen fühlen oder einen vom christlichen Mythos ihnen gelehrten persönlichen, sie nach dem Tode richtenden Gott, den sie doch zu eben diesem allgemeinsten Lebensquell umdichten, der das All ausströmt und es in seine Einheit zurücknehmen kann ? Daß der Tod der Gedanke ihres Lebens war, beweist ihre asketisch-mönchische Lebensführung, die nur im Hinblick auf den Tod Sinn hat, und deren psychologische Unterlage die gewaltige Erschütterung ist, welche den Menschen beim Zusammenprallen der harmlos heiteren Lebensfreude mit dem Gedanken an den Tod ergreift; der Wunsch, diese Erschütterung zu meiden, führt hier — da sich der Todesgedanke nicht ausschalten läßt — zur praktischen Verneinung der Lebensfreude und einem Absolutieren des Todesgedankens. Die bewußte Spiegelung dieses tiefen Vorgangs als eines Lohnerwerbens für das Jenseits durch irdische Entsagung, irdisches Leiden fälscht und verkleinlicht den Vorgang beträchtlich. —

Der Gedanke an den Tod, mit den dunklen Bei-gefühlen all des Unheimlichen, all der Schrecken die er auch für den glaubensstarken, jenseitssicheren Christen hat, bestimmt den Wert des mystischen Erlebnisses für den mittelalterlichen Menschen. Er drängt es in die Richtung eines erlebten Vortodes hin, in dem ihm die Gewißheit eines Aufgehens in die ewige Gottheit, eines Entrücktwerdens aus dem Erdenleben in die Himmel, gegeben wird. Wollende Phantasie hilft ihm das Erlebnis wandeln, ausdichten.

X.

Sobald die beiden Momente: Entdecken des Un-bewußten in sich und des Todes in allem Leben eingetreten sind, ist alles gegeben, was bei Menschen phantastischer, gefühlserregter Natur, Menschen mit einer lebendigen, schöpferischen inneren Anschauung nötig ist, damit sie zur vollen Mystik gelangen. Das wiederholte mystische Erleben wird tiefstes Bedürfnis der ganzen Natur, besonders um seiner unaussprechlichen letzten Gewißheit willen, die sich wohl wie ein Abglanz dem ganzen Leben des Mystikers mitteilt, aber derenFülle und Wesen doch immer wieder hinschwindet.

Der Trieb ist nun, das Erlebnis, das als Moment der Entwicklung ganz unwillkürlich, überraschend, eine Offenbarung war, willkürlich zu machen, in die Fesseln des starken Willens hinabzuzwingen.

Eine Gruppe von Mitteln sucht das physiologisch zu erreichen: die Askese mit ihren Entnervungen, mit ihrem Hineinwenden aller geschlechtlich-sinnlichen Empfindungen ins Innere, wo sie Vorstellungen und überirdischen Liebesgenuß zeugen, ein inneres Vergehen, das wenigstens ähnlich ist dem Anfangserlebnis. Die höchste Stufe mystischen Erlebens, die physiologisch erreicht werden kann, ist die Vision, die körperlich empfundene Erscheinung mythologischer Personen, die von überschwenglichen Genußempfindungen begleitet wird : die Verzückung. Auch gute Mystiker haben sie gehabt und vergebens zu schildern gesucht; weil offenbar das Wichtigste für sie nicht die Bilder waren, sondern vielmehr das den ganzen Vorgang begleitende allgemeine Einheitsgefühl, das Worte nicht auszudrücken vermögen. 


   DAS SONNENWEIB UND DER SIEBENKÖPFIGE DRACHE

Aber die Vision widerspricht in ihrer Bildhaftigkeit den eigenen Lehren der Mystiker, die selbst innere Bilderlosigkeit als Erfordernis der wahrhaften Vereinigung mit Gott predigen; widerspricht diesem Triebe, jede Anderheit, jede Art Erscheinung, die immer Zweiheit voraussetzt, aufzuheben. Wir können deshalb in diesem singulären pathologischen Vorgang, der uns wohl allen — soweit er als Realitätsillusion sich vor unsere Sinneneindrücke vorschieben will — verschlossen ist, nicht den im Mittelalter erreichten Gipfel der Mystik sehen.

Die andere Gruppe von Mitteln, die rein geistigen, nur der Seele richtiges Verhalten bestimmenden, predigen Passivität, Gewährenlassen in Stille, Versinkenlassen aller Dinge und ihrer Nachbilder in der Seele, Einförmig-, Ruhigwerden. ,,Tu der Wahrheit genug einfältiglich, und was dazufällt, darin sei dir selbst unbehilflich; denn wer sich selbst zuviel hilft, dem wird von der Wahrheit nicht geholfen!“ (Suso.) „Ein Mensch soll in seiner Unbildlichkeit und in seiner Enthaltlichkeit stehen; darin liegt die größte Lust.“ (Ders.)

Diese Mittel führen offenbar zur höchsten Stufe mystischen Erlebens, selbst welche indessen wahr-scheinlich — trotz aller unsagbar tiefen Erfüllung, die sie bietet — noch einen letzten Rest Individualgefühls, Ichseins enthält. So schließt das wundervolle  Kapitel, von Susos „Leben“, das Kapitel von dem „vernünftigen Einleiten des äußeren Menschen zu seiner Innerkeit“, das hauptsächlich den geistigen Weg zum letzten mystischen Erleben lehrt: ,,Beharre fest und laß dir nimmer genügen, bis daß du erkriegest in der Zeit das gegenwärtige Nun der Ewigkeit, also fern es möglich ist menschlicher Schwäche.“

„Also fern es möglich ist menschlicher Schwäche!“ Stärker betont Ruysbroeck den unerfüllten Rest: „Hier beginnt nun der ewige Hunger, der niemals gestillt wird, das ist ein innerliches Gieren und Trachten der minnenden Kraft und des geschaffenen Geistes nach einem ungeschaffenen Gut — ein geschaffenes Gefäß kann ja kein ungeschaffenes Gut fassen. Darum bleibt da ein ewig hungerndes Sehnen, und Gott fließt darüber weg in einem Nicht- gewähren.“

Die Sehnsucht nach vollem Eingehen in Gott bleibt auch auf der höchsten Stufe mystischen Erlebens wach: die Gottliebe des Mystikers.

Wie kennzeichnen sich nun die höchsten Momente mystischen Erlebens, sie, die Ziel und Sehnsucht aller Mystiker sind ? um derentwillen sie jede Erdenlust und -freude aufgeben, von deren Schatten noch die Beglückten zehren ?

Alle Mystiker bekennen oft und eindringlich, daß kein Wort diese Momente zu schildern vermag. Dennoch sprechen sie von ihnen, stammelnd, immer wieder Worte suchend, immer wieder verzichtend und in den Glanz der Erinnerung versinkend.

Eckhart:

„Und so die Seele dazu kommt, so verliert sie ihren Namen, und Gott zieht sie in sich, daß sie an ihr selber zunichte wird, als die Sonne das Morgenrot in sich ziehet, daß es zunichte wird. Und so die Abgeschiedenheit kommt auf das Höchste, so wird sie vom Erkennen kennelos und von Minne minnelos und von Lichte finster.“

„Der Geist muß übertreten Ding und Dinglichkeit, Form und Förmlichkeit, Wesen und Wesentlichkeit, dann wird in ihm geoffenbaret das Werk der Seligkeit.“

„Die Seele mag kommen in so große Vereinung, daß Gott sie allzumal in sich ziehet so gänzlich, daß die Seele keinen Unterschied erkennte, für was sie sich selber halte.“

„Gott nun gar bedarf überhaupt keines Bildes, noch hat er ein solches in sich: er wirkt in der Seele ohne jedes Mittel, Bild oder Gleichnis, in dem Grunde wirkt er, in den nie ein Bild gelangte, sondern nur er selber mit seinem eigensten Wesen.“

Ruysbroeck:

„Die beiden Geister, d. i. unser Geist und Gottes Geist, funkeln und leuchten ineinander, und jeder von beiden zeigt dem andern sein Antlitz.“

„In diesem Lichte (des Einleuchtens Gottes) entsinkt der Geist im Genüsse der Ruhe sich selber, denn diese Ruhe ist ohne Weise und ohne Grund, und man kann sie nicht anders erkennen als durch sich selbst, das ist durch Ruhe. Denn könnten wir sie erkennen und begreifen, so fiele sie in Weise und Maß; — so aber würde sie uns nicht befriedigen, denn Ruhe würde zu einer ewigen Unruhe.“

„Gott begreifen und verstehen über allen Gleich-nissen, so wie er an sich ist, d. h.: Gott mit Gott sein, ohne Vermittlung oder irgend eine Anderheit, die Mittel oder Hindernis bewirken würde.“

„Während wir Gott besitzen in der Versenktheit der Minne, das ist, so wir uns selbst verloren haben, da ist Gott unser eigen, und wir sind sein Eigen, und wir entsinken uns ewiglich ohne Wiederkehr in unserem Eigentume, das Gott ist.“

,,— unser Leben auf einen grundlosen Abgrund gründen: dann können wir ewiglich in Minne sinken und uns selbst entsinken in die grundlose Tiefe, und mit derselben Minne sollen wir aufsteigen und uns selbst entsteigen in die unbegreifliche Höhe.“

„Ein zerfließendes Untertauchen in die wesentliche Nacktheit, wo alle göttlichen Namen, alle Weisen und alle lebendigen Ideen, die im Spiegel der göttlichen Wahrheit Bild geworden sind, in die einfache Unnenn- barkeit, die ohne Weise und Idee ist, verfallen.“

„Der grundlose Strudel der Einheitlichkeit.“

„Die Begegnung mit Gott in Einheit und Ruhe muß in wesentlichem Begreifen geschehen, tief verborgen unserem Verstände, es sei denn in einem wirklichen Verstehen nach Art der Einheitlichkeit — hier ist nichts als Gott und der mit Gott unmittelbar vereinte Geist.“

Es sind hymnische, berauschte Worte, die uns das Zeugnis geben sollen und es uns doch vorenthalten. Nur dies geht aus ihnen hervor und ist ihnen gemeinsam: Der höchste mystische Moment ist ein Augenblick des Gelöstseins aller Erdenschwere, des verzückten, trunkenen Versinkens in alle Tiefen einer unendlichen geistigen Lust, das berauschte Gefühl einer vollen Vereinigung mit dem Wesen alles Seins, ein Fühlen aus dem All heraus, nicht aus dem Einzelnen. Und offenbar ist es ein Rausch, der von dem allerinnersten geistigsten Gebiet ausgeht und von dort den ganzen Menschen durchdringt, zum mindesten: der dies Gebiet mit ergreift und das Erlebnis dadurch kennzeichnend unterscheidet.

Ich vermute, daß dies Phänomen ein intellektuelles ist — die Mystiker haben das Wort von der intellektualen Vision geschaffen, von den Begriffen und Worten, die Gott von innen der Seele einspricht — ein gleichzeitiges, widerspruchsloses, in dem Ur- einen gefühltes Beieinandersein der wesentlichen (sich in jeder logischen Verstandesmäßigkeit aufhebenden) Momente eines aus irdischen Negationen und Übersteigerungen gebildeten Gottesbegriffs, der alle Werte umschließt. Der Mystiker Plotin, der über den Pseudodionysius hinweg auf die Ent-wicklung aller kirchlichen Mystik großen Einfluß übte, hat die merkwürdige Behauptung ausgesprochen, daß das Höchste, der letzte Urgrund, noch über das Sichselbst-Denken, als über eine Zweiheit, hinausliege und völlige, uns und sich unbegreifbare Einheit sei.

Für das mystische Phänomen ist an diesem Ausspruch charakteristisch: daß er, das wahre Sein über das Bewußtsein hinaus verlegend, dem Bewußtsein jeder Art abspricht, es zu erreichen, zu berühren. Wenn wir diesen Gedanken in uns lebendig erhalten — neben den vielen Bekenntnissen von ewiger unerfüllter Sehnsucht, die in den Schriften der Mystiker stehen —, so zeigt sich uns das letzte mystische Erlebnis, das Ziel mystischen Strebens, als ein nur vorgestelltes, phantastisch-gedankliches, als ein Sich-mit-dem-Gefühl-heranheben an eine rein gedankliche Konzeption, die aus jenem ersten, sinnlich allgemeinen Einheitsgefühl allmählich durch den von diesem Einheitsgefühle angeregten schöpferischen Geist als etwas in sich Selbständiges entwickelt wurde. Das wirkliche Erleben der Mystiker führt bis zu einem gewissen Höhepunkt, von wo aus sie das letzte Einheitserlebnis in seinen wesentlichen Bestimmungen konzipieren, sich vorstellen können, ohne seiner ganz teilhaftig zu werden.

Das, wie im Krampf, ein paar Herzschläge lang festgehaltene Innesein dieses Gedankenkomplexes, dieses Gottbegriffs, ist dem Mystiker Vereinigung mit Gott.

XI.

Dabei bleibt zu erklären, weshalb die geschilderten Zustände mit Gott in Verbindung gebracht werden. Offenbar: weil sie Zustände einer so seltenen über-menschlichen Erhabenheit, solch starken Weltgefühles sind, daß einem gottgläubigen Menschen gar kein anderer Gedanke kommen konnte, als daß es sich bei ihnen um Gott handle. Für alles Höchste gab es dem Christen nur dies eine Wort: Gott. Dabei lag der Gedanke an die Möglichkeit eines unmittelbaren Verkehrs mit der Gottheit innerhalb einer Offenbarungsreligion, die Wunder und Visionen ausdrücklich anerkennt, stets nahe. Der Gott, der einst sinnlich sichtbar sich auf die wolkenumhüllten Berge, auf den Horeb oder den Sinai niederließ, war in der Auffassung der Mystiker freilich verfeinert worden : er stieg jetzt in die Seelen selbst hinab; oder besser: er stieg aus den Seelen hervor. ,,Das Reich Gottes ist in uns; wer nur dazu einkehrt, suchet und nicht durch Auslaufen verliert. Es mag ja nicht von außen hineinkommen. Es sind böse Brunnen, in die man Wasser tragen muß/‘ — (Tauler).

Christlich-religiöse Anschauung von der Gottes-sohnschaft aller Menschen, altüberlieferte Philo- sopheme von der Welt und jeder Bewußtheit als einer Wesensausstrahlung Gottes, unterstützten den mystischen Gedanken, daß Gott sich in unserm Innern unmittelbarer uns kundtue, als durch die Sinne. —

Nun ist interessant zu sehen, wie der erst mythisch-persönlich gedachte Gott, der dem Gott der Visionen entspricht, durch sein Inbeziehunggesetzt- werden zu dem Einheits-Erlebnis hinüberwächst ins Unfaßbare und durch seine gewaltige Steigerung zum Pan, zum All, nun das Erlebnis selbst wieder als ein reales illusorisch macht, es hinter sich her ins Unerlebbare hinüberzieht.^

Erkennen wir das mystische Erlebnis als eine Optative Projektion, als ein Gipfelerlebnis, das von der, die Erlebnisse überfliegenden und aus ihnen für eine sie alle überragende Synthese bildnerische Kraft schöpfenden, Phantasie geschaffen wurde; ein Erlebnis, das nirgends unmittelbare Wirklichkeit geworden ist, so verstehen wir die Gottaussage der Mystiker. —

Sie ist die höchste, menschlich erreichbare, anthropomorph nur noch indirekt, in dem Sinne, daß sie, in einem Sichwehren gegen den halbbewußt verdächtigten Anthropomorphismus, aus Negationen und Übersteigerungen irdischen Seins gewonnen wird. Am allerkennzeichnendsten das Zwiegespräch zweier Kirchenväter, das Meister Eckhart zitiert. Der eine sagt: Alles, was du von Gott aussagen kannst, das ist Gott nicht. Der andere entgegnet: Das ist Gott auch. Ein dritter fügt hinzu: Beide haben recht.—

Es ist die reine, unlösbare, hier sogar die sich mehrfach in sich selbst übersteigernde Antithese, die als Gottaussage gefunden wird, offenbar als das höchste Phänomen des sich selbst denkenden dualistischen Geistes, das inadäquat und gewiß nicht 

DES ERZENGELS MICHAEL KAMPE MIT DEM DRACHEN 

zutreffend, aber vielleicht dennoch dem Unausdrück-baren am nächsten kommend, zum Ausdruck verwandt wird; zum Ausdruck des Unausdrückbaren, das anscheinend qualitativ von allem Denkbaren unterschieden ist. Es gilt in der Aussage nur dies eine finden, etwas Unvorstellbares, logisch Undenkbares; 'denn das ist es allein, was wir von Gott aussagen können: daß er unvorstellbar, undenkbar ist. Und ein blaues Rot, ein schwarzes Weiß würde den Gottbegriff der Mystiker genau gleichwertig etwa mit dem von ihnen oft verwendeten „ewigen Nicht“ geben. —

Dem Mystiker ist offenbar die über sich vorgestellte Einheit absoluter Gegensätze die höchste denkbare Einheit. So mußte seine abstrakte Gottaussage rein antithetischen Charakter erhalten, auf dem Punkt vor der Vereinigung stehen bleiben. Sie wurde von dem irrealen Moment im mystischen Zielerlebnis, von dem Unerfüllten, dem reine Gedankenkonzeption bleibenden, projiziert. „Gott ist als ein zirkeliger Ring, des Ringes mittlerer Punkt allenthalben ist und sein Umschwang nirgends“ (zitiert bei Suso). — Am stärksten ist die abstrakte Gottaussage bei Eckhart ausgeprägt: „Gott ist ein überseiendes Nichtsein“, „Gott ist für sich selber Sein, für das Begreifen der Kreatur ist er ein Nichts“; gelegentlich, wie aus dem antithetischen Denken heraus in reinen Idealismus über gehend: „Wollte ich, weder ich wäre, noch alle

Dinge. Wäre aber ich nicht, so wäre auch Gott nicht.“  )

Aber neben der abstrakten Gottaussage steht eine wichtigere, eine konkrete. Sie steht mit jener dia-lektisch-spekulativen nur in mittelbarem Zusammen-hang. Sie beruht auf dem, schon in dem mystischen Anfangserlebnis enthaltenen Einheitsgefühl, das auch in dem Enderlebnis wirklich erlebt, nicht nur über dem Erleben erschaut wird.

„Wo man minnet Bild oder Person, da minnet Zufall Zufall, und dem ist Unrecht; doch so leide ich mich darin, bis es abfällt. Es ist aber etwas von innen Einfältiges, da der Mensch nicht minnet Gegenwärtigkeit des Bildes, sondern da der Mensch und alle Dinge eins sind, und das ist Gott.“ (Suso.)

Die Mystiker haben sich oft dagegen verteidigt, Pantheisten zu sein. Fast komisch ist es, wenn man bei dem überhaupt die offizielle Kirche oft seiner Rechtgläubigkeit versichernden Ruysbroeck neben seinen großen Einheitsanschauungen einen Satz findet wie diesen: „Ja, manche sind so irre, daß sie sagen, daß die Personen in der Gottheit vergehen werden und in der Ewigkeit nichts anderes bleiben werde als die wesentliche Substanz der Gottheit.“ Auch Suso betrügt sich, ehrlich und unter kirchlichem Zwange, über diesen Punkt und wehrt sich gegen jede ihm angedichtete Gemeinschaft mit den Brüdern des freien Geistes, zeitgenössischen häretischen Mystikern deutlich pantheistischer Richtung. Dennoch sind alle Mystiker Pantheisten, ja es läßt sich direkt sagen: das mystische Erlebnis vom Verfließen der Individuation ins Allgemeine, ist die Geburt des Pantheismus. Denn hier treffen diese zwei Momente zusammen: das, innerer Offenbarungskraft volle, Einheitsgefühl und die religiöse Steigerung des Gottes über alle Beschränkungen hinaus, sowie dies Erlebnis auf ihn bezogen wird. „Gott ist Alles und über Alles“; das heißt auch: es ist nichts außer Gott. In der „Deutschen Theologie“ findet sich ein merkwürdiger Gedanke, in dem sich fast schon eine Ablösung des Mystischen aus dem Christlichen vollzieht: das Erkennen will Gott sein, nicht Christus; ,,— denn Christus und sein Leben ist aller Natur zuwider und schwer: darum will die Natur nicht daran, sondern will Gott sein in Ewigkeit . .

Der gewaltigste dieser Denker, Eckhart, der so schwer in den Fesseln scholastischer Dogmen und Axiome hinschritt und ein oft verschwendetes Licht in die überlebtesten allegorischen Vorstellungen goß, hat beide einander widersprechenden Gottaussagen, die im höchsten mystischen Erlebnis wurzeln, ausgesprochen und mit einem großen Emanationsgedanken — der seine auslaufenden Umdeutungswirkungen hinabsendet bis in die christliche Mythologie, in die Zusammenhänge von Vater, Sohn und heiliger Geist — mythisch vereint. Er hat hinter Gott noch die Gottheit aufgerichtet, die gottgebärende, aus der Gott ausfließt und in die er zurückkehrt. In unbeweglicher Abgeschiedenheit ist sie die Einheit, der Urgrund der Welt. Von ihrer Entrücktheit können wir uns keinen Begriff mehr machen, wenn schon Gottes Abgeschiedenheit so von Eckhart geschildert wird: „In dieser unbeweglichen Abgeschiedenheit ist Gott ewiglich gestanden und steht er noch. Selbst da er Himmel und Erde schuf und alle Kreatur, das ging seine Abgeschiedenheit so wenig an, als ob er nie etwas geschaffen hätte. Ja, ich behaupte: Alle Gebete und alle guten Werke, die der Mensch hier in der Zeit verrichten mag, von denen wird Gottes Abgeschiedenheit so wenig bewegt, als wenn es so etwas gar nicht gäbe, und Gott wird gegen den Menschen deshalb um nichts milder und geneigter, als wenn er das Gebet oder gute Werk nie verrichtete. Ja selbst als der Sohn in der Gottheit Mensch werden wollte und ward, und die Marter litt, das ging die unbewegliche Abgeschiedenheit Gottes so wenig an, als ob er niemals Mensch geworden wäre.“ —

XII.

Damit erscheint das Problem der Mystiker erledigt. Eine deutliche Linie von ihrer ersten Erweckung bis zu dem Höchsten, von dem sie Kunde geben, ist gezogen. —

Doch steht zum Problem noch diese Frage in Beziehung: Welche Einwirkung übt das mystische Erleben auf seinen Träger aus ? Zunächst die erörterte: Es drängt zur Wiederholung und nimmt schwächere Geister ganz in Zwang, ertötet sie allem anderen. Für den starken Menschen aber bedeutet es die höchste Kräftigung alles Individuellen, mensch- lich-Positiven; aus der gewaltigen Erhöhung, die es ihn, in der. Gebundenheit des Einzelwesens, dem Allwesen zu machen ließ. Wie es die Verse eines Neueren schildern:

(Ein Mönch spricht zu Gott)

Ich war erlöst. Jetzt hab’ ich stark und leise mich in den Einzelleib zurückgelebt, in mich verwandelt sank ich aus dem Kreise, der meine Mitte wie ein Land umschwebt.

Der Atem deines Geistes nährte mich, daß ich den Lebensschlaf der Welt mitträumte, doch dieses Schlafes Kraft vermehrte mich, daß ich, erwacht, neue Gestalt durchschäumte. Sieh’, was ich jetzt bin, war ich nicht, eh’ du mich nahmst, daß ich in dir verglimme. Einst war ich Mensch, jetzt aber spricht verirrte Ewigkeit aus meiner Stimme.

Eine der ganz starken, aus diesem Sichzurückfinden in die Individuation geborenen Anschauungen Eckharts, welche die Sehnsucht in die Fülle aller Bejahung, aus allem Mangel, aller Verneinung heraus in Allheit zu kommen, beglückend ausprägt, ist diese: ,,Du mußt frei geworden sein vom ,,Nicht“. Man streitet darüber, was in der Hölle so brenne ? Die Meister antworten übereinstimmend: Das tut der Eigenwille! Aber ich behaupte: Das ,,Nicht“ brennt in der Hölle. Ein Gleichnis! Angenommen, man nähme eine brennende Kohle und legte die auf meine Hand. Spräche ich da, die Kohle brenne meine Hand, so täte ich sehr unrecht. Soll ich es eigentlich bezeichnen, was mich brennt: das ,,Nicht“ tut es! Weil die Kohle etwas in sich hat, was meine Hand nicht hat. Seht! eben dieses ,,Nicht“ brennt mich. Hätte aber meine Hand alles das in sich, was die Kohle ist und leistet, so besäße sie ganz und gar Feuernatur. Wenn man dann alles Feuer nähme, was je gebrannt hat, und schüttete es auf meine Hand, es könnte mir nicht weh tun. In derselben Weise behaupte ich: Indem Gott und alle die, welche in voller Seligkeit Gott schauen, etwas in sich haben, was die nicht haben, die von Gott geschieden sind: dieses Nicht allein peinigt die Seelen mehr, die in der Hölle sind, als der Eigenwille oder irgendwelches Feuer. Soweit dir ,,Nicht“ anhaftet, so weit bist du unvollkommen. Darum, wollt ihr vollkommen sein, so müßt ihr frei geworden sein von allem „Nicht!“ — 

III. ABSCHNITT. KULTURELLE BEDEUTUNG

I.

VOM XII. BIS INS XIV. JAHRHUN dert ist die Mystik nicht nur in einzelnen besonders gearteten Geistern lebendig; breite Zeitströmungen bilden für sie den allgemeinen Gefühlsboden, so daß ihre Schöpfungen den gewaltigen elementaren Charakter annehmen können, der nur durch das tiefe Hinabreichen der Wurzeln einer Erscheinung in den dunklen Boden möglich wird. Einzelne späte Nachzügler folgen in den anschließenden Jahrhunderten; die eigentliche Mystik aber bricht in Luther ab, dem letzten Mystiker, in dem das strahlende Licht dieser Geister sich, verdunkelt, in hart arbeitende Schmiedeglut gewandelt hat; sie ist aus der Betrachtung politische Tat geworden, aus dem Reichtum persönlicher Erlebnisse Gemeinde-bekenntnis.

DIE BABYLONISCHE HURE

Die Mystiker setzen als Ziel des Lebens die schon auf Erden — wenigstens in den höchsten Momenten — zu vollziehende Vereinigung mit Gott. Damit haben sie das Ziel des religiösen Menschen aus dem tran-szendentalen Nebel, aus dem Jenseits nach dem Tode, plötzlich ins Diesseits, ins irdische Leben gerückt; es blieb freilich noch immer etwas Übersinnliches, Geheimnisvolles, aber es war doch tatsächlich auch ein reales psychisches Erlebnis geworden: das Leben mußte seine Erfüllung in sich finden. Eckhart: „Wenn man das Leben fragte tausend Jahre lang: ,Warum lebst du?‘ wenn es überhaupt antwortete, würde es nur sagen: ,ich lebe, um zu leben!4 Das rührt daher, weil das Leben aus seinem eigenen Grunde lebt, aus seinem Eigenen quillt, darum lebt es ohne ein Warum: es lebt nur sich selber! Und fragt man einen wahrhaften Menschen, einen, der aus seinem eigenen Grunde wirkt: ,Warum wirkst du deine Werke?4 wenn er recht antwortete, würde er auch nur sagen: ,ich wirke, um zu wirken4.44 Ich halte dies Hereinrücken des religiösen Endzwecks, der Vereinigung mit Gott, ins Kontrollierbare — woneben die Mystiker natürlich als theologische Scholastiker, was sie sämtlich waren, die jenseitigen Aus-gleichsvorstellungen ausdrücklich beibehielten — für einen der entscheidendsten Gründe, um derentwillen die offizielle Priesterschaft die Mystiker verdammte, zum Teil ausdrücklich exkommunizierte; es war je gerade die bewußteste Absicht der Kirche, den ewigen Lohn und die ewige Strafe, die sie verhießen, ins durchaus jeder Kontrolle entzogene Jenseits zu ver-legen. Von dieser Seite waren die Mystiker eine offenbare Gefahr. Sowie sie nach der gefühlten Ver-einigung mit Gott trachten, ist ihnen das Leben nicht mehr kleinliches Gewissensproblem, wie es die Kirche will, sondern — wenn wir das Wort einmal über allen Glaubens- und Anbetungsweisen nehmen dürfen — eine religiöse Aufgabe, die vom christlichen Bekenntnis n zwar die Formen nimmt, in die sie sich kleidet, aber durchaus im Wesen viel elementarer ist als sie.

Hier ist der Same für den Protestantismus aus-gestreut, der den großen Individualismus der Mystiker natürlich verkleinlichen und der Menge verständlich machen mußte, wenn er eine Kirche bilden wollte, der von der geheimnisvollen Vereinigung mit Gott nicht sprechen durfte, wohl aber die gewisse Freiheit des Individuums von kirchlichem Zwange aus seiner mystischen Kindheit beibehielt und immerhin wesentlich innerlicher, geistiger das Christentum auf-faßte als der mittelalterliche Katholizismus. Dieser kausale Zusammenhang wird auch durch die kultur-geschichtlichen Gründe garantiert, die wahrscheinlich die mystische Geistesrichtung als breite Zeitstimmung herbeiführten: vor allem Machtübergriffe einer ver-wahrlosten Kirche, die unfähig geworden war, ihres angemaßten Mittleramtes zwischen dem Menschen und der tiefsten Sehnsucht seines Wesens zu walten, die voller Kämpfe und Spaltungen war, allenthalben Ärgernis gab und den innerlich veranlagten Menschen, der bei ihr keinen Trost und keine Befriedigung mehr fand, geradezu zu einem Suchen auf eigene Faust drängte — in einer schlimmen Zeit voller Kriege, Not und Krankheit.

Reformatorischer Eifer beseelt überall die Mystiker, die Deustchen wie die Vertreter der parallelen fran-zösischen Strömung.

Wie nahe protestantischer Grundanschauung z. B. Eckhart stand, mag dieser Ausspruch bezeugen: „Wenn sich der Mensch dagegen zur wahren Innerlichkeit aufgelegt findet, so lasse er kühnlich alles Äußere fallen, wären es auch solche Übungen, zu denen du dich durch Gelübde gebunden hättest, von denen weder Papst noch Bischof dich entbinden können. “

Umgekehrt hat auch Luther einige Erscheinungen deutscher Mystik, besonders die weniger spekulativen, praktischeren: die Predigten Taulers, das Büchlein von der deutschen Theologie hochgehalten und damit bekundet, daß er sich des Zusammenhanges mit diesen Geistern bewußt war.

Sobald wir aber die Mhrstik als Vorstufe der Re-formation erkennen, ist eine Hauptseite ihrer kultu-rellen Bedeutung mit der unabsehbar großen Kultur-wichtigkeit der religiösen Zerreißung des Abendlandes von vornherein gegeben.

* *

Literarisch betrachtet, erscheint die Arbeit der Mystiker als die Schöpfung der modernen deutschen Sprache, als die Verwandlung eines sehr breiten gegenständlichen Besitzes in geistige Anschauung.

Zuerst David von Augsburg und Berthold von Regensburg hatten sich zu theologischen Erörterungen

E* der deutschen Sprache bedient. In besonders lyrisch-dichterischen Begabungen, wie etwa Mechtild von Magdeburg, fing die klangvolle Liedsprache des deut-schen Minnesanges früh an in die geistig-mystische Ausdrucksweise einzuströmen. Diese Bewegung führte rasch zu ihrer Höhe in dem unerreicht sprachgewaltigen Meister Eckhart.

Tauler und Suso spielten das Instrument seiner Sprache weiter. So fand es Luther, dessen Spracharbeit auch als ein Ausfluß seines Zusammenhanges mit den mittelalterlichen Mystikern erscheint.

Was als reine Dichtung in den Werken der Mystiker vorliegt, das ist ein hymnisches Lied von der Größe Gottes und der Welt, der lyrische Ausdruck eines lebendigen, erscheinungsvollen Herzens, bedeutsam für uns vor allem durch das Moment ihrer reichen, rhythmisch groß bewegten Sprache; ist das Bild alter deutscher Zeit, in dem das Kleingefüge des Lebens mit dem liebevollen scharfen Auge früher deutscher Meister gesehen und gezeichnet ist — in Vergleichen und Bildern bei Eckhart, in den mannigfachen bunten Begebnissen der Selbstbiographie Susos und in anderen Büchern; ist ferner eine quellende, wenn auch nicht durchweg gesunde, erotische Lyrik, die doch zu innigsten Gefühlstönen fand. Wir müssen freilich ihre erste uns fremde Anregung überwinden : wenn etwa der anfangende Suso sich mit einem freien Willkürakt die ewige Weisheit in der Gestalt einer minniglichen Jungfrau vorstellt und auf diese Vorstellung hin die Kraft seiner unterdrückten Sinne, sein überwallendes Gefühl richtet. Trotz dieser Konstruktion, die sein Gefühl einleitet, trotzdem Suso glaubt, nur die überhohe Gottheit zu lieben, sind in seinem Werk Worte einer so innigen, hingebenden menschlichen Liebe, daß es als eins der schönsten erotischen Bücher erscheint. Auch die leidenschaft-lichen Strophen der Mechtild von Magdeburg im ,,Fließenden Licht der Gottheit“ gehören zu diesem lyrischen Reichtum der deutschen Mystik.

DER ENGEL MIT DEM SCHLÜSSEL ZUM ABGRUNDE

Die kindlich gläubige Dichtung, die den Gott der Vorstellung so ausschmückt, wie es fromme Einfalt an den Gottbildern der Kapellen und Straßen tut, ruft uns Pascals Wort in den Sinn: ,,Anders ist es mit göttlichen, anders mit menschlichen Dingen. Menschliche muß man kennen, um sie zu lieben; göttliche muß man lieben, um sie zu kennen.“

Größer als ihre dichterische ist die philosophische Bedeutung der Mystik — aller Mystik, nicht nur unserer deutschen — durch dies eine: daß sich in ihr immer wieder die Geburt des Pantheismus aus der Empfindung vollzieht.

Der Werdeprozeß dieser Weltanschauung, der ein-zigen, in der die Synthese von Gefühl und Denken vollzogen ist, liegt hier offen vor unseren Augen. Der Pantheismus leuchtet als die Essenz aus dem mit mythologischem und scholastischem Gestrüpp verwirrten Innenleben der Mystiker auf, unserem Tiefsten so verständlich, als sei kaum ein Tag seit dem Leben dieser so befangenen und so weit über ihre eigene Befangenheit erhabenen Männer vergangen.

Im Sinne dieses, von ihnen immer wieder un-willkürlich bekannten und willkürlich verleugneten, erlebten Pantheismus, der als die unserem Blick höchste Form erscheint, die wir der Seele geben können, ist das an den Dionysius angelehnte Wort des Bonaventura zu nehmen: „Gott ist die Form der Seele, welcher er eingedrückt werden muß, als ein Siegel dem Wachs.“ 

SCHLUSSWORT

MIT DEM, WAS ICH HIER ÜBER die Mystik sage, kann ich nur dies zu erreichen hoffen, daß der Leser eine Stunde lang im Bannkreis mystischen Verstellens und Fühlens lebt, die Probleme und Bilder einer seltsamen geistigen Entwicklung auf sich zukommen fühlt. Ich glaube nicht, etwas Wesentliches zur Erklärung des mystischen Phänomens beigebracht zu haben. Was vermögen wir, was vermag die Sprache zu erklären ? Ich denke an Susos schönes Wort: ,,Wie kann man Bildloses gebilden und Weisloses beweisen, das über alle Sinne und über alle menschliche Vernunft ist ? Denn, was man für Gleichnis dem gebe, so ist es noch tausendfältig ungleicher, denn es gleich sei.“ 


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